Samstag, 13. November 2010

Die besten Satieren schreibt das Leben:

Voraus will ich schon mal bemerken das der folgende Text eine Satire ist.
Alles beschriebene habe ich so tatsächlich erlebt, möchte aber festhalten das ich die Freaks echt gerne habe und das sie mein Leben sehr bereichert haben, nicht das sich jemand auf die Füße getreten fühlt.
Bin ja selber involviert in die Szene, mann sollte halt auch über sich selber lachen können.

Teil 1
Mysterien alternativer Esskultur

Vegetarier, Ovolactovegetarier, Veganer.......
die Besonderheiten ernährungsspezifischer Hochideologie sind vielfältig,
mittlerweile weiß das fast jeder und fast jeder hatt irgendso einen genannten im Bekannten oder Verwandtenkreis.

Unübersichtliche, teils unverständliche Regeln für den Außenstehenden führen immer wieder zu netten Gesprächen über Essgewohnheiten bei gemeinsammen Familienfeiern oder sonstigen Anlässen.
Witzig kann es werden wenn man beispielsweise, nichtsahnend,
einen "Ovo-Vegetarier" eingeladen hatt.

Nette Zurechtweisungen wie die folgende erheitern jede Festivität:
"Ich dachte ich hätte schon mal klargemacht das ich Ovo-Vegetarier bin, dieser Kuchen enthält Eier und Honig, Eier sind okay...aber Honig geht echt ganz und gar nicht klar!
...............und dann dieser Wein wustest du etwa nicht das der zur Produktion durch Gelantinefilter geprest wird die auf der Basis von Fisch hergestellt wurde?...also den kann ich echt nicht trinken!

Ja die Zeiten werden moderner und so ist auch der Normalbürger, der etwa einen "Pescetarier" für einen urzeitlichen Schmetterling gehalten hätte, gezwungen, seine Allgemeinbildung um die Geheimnisse moderner Essgewohnheiten zu erweitern.

Ich selber werde ja nicht mehr von allzuviel überrascht, wurde ich doch in ein Elternhaus geboren, daß sich sehr früh mit den Geheimnissen biologischer Ernährung befasste.
Meine Eltern gründeten bereits 1983 einen Bioladen, zu dieser Zeit auf der Provinz ungefähr so gewöhnlich wie der Bau eines Raumschiffes im heimischen Garten.
Die Leute aus dem Dorf dachten damals schließlich, dass sie sich quasi schon "Bio" ernähren würden, weil sie ihre Milch vom örtlichen Bauern geliefert bekamen.
"Konventionell", dass wäre niemanden ein Begriff gewesen!
Aber wenn, dann hätte man wohl angenommen, dass die Milch aus dem Supermarkt wohl konventionell wäre, denn die kommt ja aus der Tüte und nicht von der Kuh.
Bio das war damals recht neu, die ersten Gehversuche hier auf der Provinz machten einige Ko-ops, also Einkaufskooperationen.
Ein paar Freaks die sich zusammentaten um bei Bio-Großhändlern (damals ein paar andere Freaks die Müsli in einer Badewanne mischten und in einem Bunten VW Bus in die nähere Region lieferten) gemeinschaftlich Lebensmittel einzukaufen.
Auch der Tausch selbstgezüchteten Gemüses war damals noch so ein Thema das Anklang fand in der Szene.
Ich weiß noch das meine Eltern einmal 5 Stunden auf so einen Typen in einer finsteren Kneipe warteten, der ihnen 2 Leibe selbstgebackenen Bio-Brotes verkaufte, damals noch was "ganz besonderes"....später entdeckten sie dann das man Brot ja auch "voll easy" selber backen konnte.
Gemüse und Obst züchteten sie bald selber.
Damals sprossen die Kürbisse und Auberginen also im heimischen Ziergarten, bewacht von den Terracottaarmeen und den Heerscharen an Gartenzwergen der Nachbarschaft.
Auf dem Dach der Garage baute mein Dad ein Gewächshaus aus Dachlatten und Klarsichtfolie, um eine Jungpflanzenzucht zu betreiben und unter der Garage grub er eine 5 m tiefe Grube um Regenwasser zu bunkern........für die Pflanzen.......
Wer das schon für verrückt hält: Die echten Freaks hatten damals Einsiedlerbauernhöfe gekauft und Präparate aus verschiedene Kräutern angefertigt, die sie im Horn einer geweihten Kuh im Mist vergruben.
Dort blieb es eine gewisse Anzahl an Mondzyklen und wurde zu Vollmond wieder ausgegraben.
Die Schwingungen des Universums hatten das Heilkräuterpräperat nun "dynamisert" und jezt wurde es auf die Gemüsefelder ausgebracht, um die Schwingungen auch auf das Feld zu übertragen und die Pflanzen so mit den Kräften des Kosmos in Einklang zu bringen.
Ja so war das damals.

Die Gründung des Ladens brachte meine Eltern allerdings prompt in Verruf.
Die Wächter der "wahren Szene" fanden das "gar nicht mehr okay", den schließlich wurde hier Profitt aus dem Bedürfniss der Gleichgesinnten geschlagen, sich gesund und vollwertig zu ernähren.
Meine Eltern hatten also quasi vor Geld aus ihrer Leidenschaft zu machen und das ist ganz und gar nicht mehr Knorke gewesen.
Zumindestens nicht für die Freaks, die sahen übrigends wirklich wie die klassische Stereotype aus; selbstgestrickter Wollpulli, langer Zauselbart und selbstgeschnitzte Anhänger und in der Tasche immer ein paar selbstgetrocknete Pflaumen.
Nun was seinen Anfang in der Garage nahm, zwischen selbstgezimmerten Verkaufsregalen und kistenweise Erde (die Jungpflanzen wurden damals noch im Laden umgetopft) das ist mittlerweile 27 Jahre alt und ein großes profesionelles Geschäft geworden.
Ich selber stieg vor 10 Jahren ebenfalls in den elterlichen Betrieb ein.

Freaks gibt es mittlerweile eher wenige und wenn dann verstecken sie sich auf ihren Bauernhöfen oder gleich in einem spanischen Pinienwald in dem sie naturnah und ohne sozialen Druck leben können, von selbstgesammelten Wurzeln oder so.
Trotzdem verriren sich doch immer mal wieder ein paar aus der ursprünglichen Szene zu uns.
Ganz besonders über Wünsche der esoterisch intresierten wundert sich keiner mehr so richtig.
Der eine will nicht das man die Waren über den Laserscanner der Kassensysteme zieht, weil das Licht die Nährstoffe doch "voll kaputtschießt", der andere wünscht sich "back to the roots" den Verakuf von Ziegenfrischmilch dierekt aus dem Euter.
Leider erlaubt uns das Gesundheitsamt allerdings keine Ziegenhaltung im Laden und im Kühllager frieren die Viecher auch immer so schrecklich, was ja irgendwie auch nicht knorke ist?
Früher wäre das anders gewesen.
Früher hätte man ja auch noch Petersilie im Laden züchten können!dierekt Im Handwaschbecken neben der Kasse oder gleich in nem Blumenkübel im Verkaufsregal.
Profesionalisierung, blieb vielen der Ursprünglichen eher unverständlich.
Die Sonderwünsche der "spezielleren" Kundschaft sind manchmal so abgedreht und wir haben uns so daran gewöhnt, das unser Bäcker es sogar geglaubt hatte als ich ihn Spaßhalber mal anrief und behauptete:

"Hier steht so ein esoterisch intresierter Kunde der möchte gerne Wissen ob der Nougathalbmond den du geliefert hast zunehmend oder abnehmend ist?"

Er lachte noch nicht mal als ich ihn aufklärte das daß ganze ein Spaß war.
Niemand hätte es gewundert wenn diese Frage ernst gewesen wäre.

So ernst wie es den Kunden ist die mich darüber aufklären das sie unser Wasser nicht mehr trinken würden, weil das Schwingungsmuster leider nicht mit ihrem energetischen Konzept harmonisieren würde und das sie jezt dazu übergegangen seien Gurken auszupressen, weil die ja bekanntlich "das reinste Wasser haben das man so finden kann".

So ernst beispielsweise auch, wie es den Leuten ist die ihre Handcreme erst mal auf Probe kaufen um sie im heimischen Umfeld in Ruhe auspendeln zu können.
Man sollte also meinen, dass es nicht allzuviel exotisches mehr gibt, das ich quasi alles schon gesehen hatte was unser Bereich so an Sonderlingen aufwarten kann.
Aber ein Freund von mir pflegt zu sagen;

"Wenn du meinst den tiefsten Grund erreicht zu haben, wenn du denkst den Boden des Abgrundes entdeckt zu haben, kommt jemand und recht dir ne Schippe."

Ungefähr das ging mir durch den Kopf als mir letzte Woche Donnerstag dieser Vertreter ins Haus stürmte.

Er war schon äußerlich ungefähr das, was irgendwie aus einem dieser spanischen Pinienwäldern herausgestolpert und nur versehentlich wieder in der Zivilisation aufgeschlagen war.
Er hatte diese Sorte Gang und Gehabe das sich unweigerlich einstellt wenn man zuviel eines bestimmten Teekrautes konsumiert.
Seine ganze Gestalt war hager und ausgemergelt, genau so wie man sich einen Veganer Stufe 5 vorstellt (wie man aus "die Simpsons" weiß essen die nichts, was einen Schatten wirft) und seine Kleidung wirkte auf schwer fassbare Weise wie die Manifestation des Spruches "Jute statt Plastik".
Eine Art unförmiger und viel zu groß geschnittener Anzug, irgendwie aus einem Kartoffelsack und ein wenig Blumendraht gefertigt.
Darüber ein schäbiger Regenmantel, der wohl mal orange gewesen war, bevor wilde Tiere in den spanischen Pinienwäldern die Wachsbeschichtung heruntergeleckt hatten.

Dieser Vertreter stellt sich mir als ein "Gesandter" einer kleinen Insel nahe Hawai vor.
"Hawai also" dachte ich und es war nicht der Gedanke an frische Annas und Blumenketten der sich als erste Asoziation, angesichts dieses majestätischen Mundgeruchs, einstellte, der mir entgegenschlug.
Eher an eine besonders krasse Form eines Freeganers der sich hauptsächlich von Gemüse ernährt das er aus den Wegwerfcontainern örtlicher Supermärkte holt.
Dieser Typ da schien das Gemüse noch nachträglich zu dynamisieren (die Nummer mit dem Misthaufen) bevor er es zu sich nahm.....................dachte ich!

Er trug einen 5 l Kanister aus Plastik bei sich, die Sorte Kanister in der die Franzosen ihren Tafelwein verkaufen.
Wie er mir veriet, befand sich in dem Kanister das "absolute, totale Superzeug" der "Stuff der dafür verantwortlich ist das er so absolut gut drauf ist"
.
"Puh" sagte ich "na da bin ich ja jetzt neugierig".........leider fiel mir gerade kein dringender Grund ein aus dem ich gerade im Keller verlangt werde.....................oder im Ausland.

Munter vor sich hin brabbelnd begann er mir also einen Feldbecher von dem Zeug einzuschenken, den er Parktischerweise auch gleich mitgebracht hatte.
Als er etwa halb voll war hob er den Becher in einen imaginierten Sonnenschein und sprach: "Nonisaft, rein und ungefiltert, der Saft der südlichen Götter"

"Ach so Noni" sagte ich, ja sowas haben wir schon im Sortiment.

"Aber nicht diesen Noni" seine Stimme überschlug sich regelrecht "veileicht ein Nachamerprodukt, eines dieser Inustriellen Massenprodukte von Hawai...aber der echte, richtige, reine Noni wächst nur und auschließlich auf der kleinen Insel in deren Name ich bei ihnen vorspreche um ihnen exklusiv ein Verkaufsangebot zu machen!!"

".......und den gibts dann in diesen Kanistern?" erkundigte ich mich.
(dazu muss ich sagen das Noni ein Lifestyle Produkt ist, viele Hersteller nennen es blumig "Kosmetik von innen" . Nicht schlecht aber auch nicht hochexklusiv.)

"Nein, verkauft wird er in 100 ml Flaschen" er war jezt richtig in Fahrt.
"nicht dieses billige Nachamerzeug....das echte reine Noni, keine Nachamung, rein und ungefiltert"

Das Gespräch schien so langsam die Züge eines Mantras anzunehmen, dachte ich mir, also versuchte ich es mit einem freundlichen "kein Intresse" zu beenden.

"KEIN INTRESSE? KEIN INTERESSE? Mein Herr meinen sie wenn ich nicht völlig überzeugt wäre von diesem Produkt wäre ich hier?"

.........ich schielte auffällig auf meine Uhr "gut ich werde glaube ich dringend im Keller gebraucht".........."oder im Ausland" fügte ich in Gedanken hinzu.

"Ich fühle mich bestens und dafür ist nur dieses tolle Zeugs hier verantwortlich" er hob den Feldbecher wieder auf Blickhöhe in den imaginierten Sonnenstrahl.
"Seit ich vor 5 Jahren eine Trinkkuhr mit Noni machte bin ich ein anderer Mensch mein Herr!! Ich brauche jetzt nichts mehr, ich wurde erst Veganer und jezt bin ich sogar zu Pranaernährung übergegangen. Nur trinken muss ich noch ab und an, aber dann nur Noni und nur zu gesellschaftlichen Anlässen"

"Prana" schoss es mir durch den Kopf, klar Prana, die Leute die der Meinung sind sie könnten die Energie der Sonnenstrahlen nutzen und ihrem Körper als Nahrung verfügbar machen.....oder so ähnlich.
Ich erinnerte mich das mir vor Jahren, 2003 schon mal einer erzählt hatte das zu können.
Leider ist er kurz darauf verhungert, so das er sein Geheimniss für sich behielt.
Trotzdem hatte es mich nachträglich schon ein wenig beeindruckt wie einer der sich von Prana ernährt im Rekordsommer 2003 verhungern konnte.
Ich blickte den Vertreter also verständig an und sagte;"Ach ja natürlich, Prana also, ja dann kann ich ihnen vieleicht einen Nougat-Neumond anbieten?"

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