Samstag, 13. November 2010

Das Tal

Der Körper ist das Gefängnis des Willens,
die Zeit schwächt ihn, die Materie bindet ihn,
das Leben höhlt ihn aus.
Reduziert auf dieses Regelwerk, stehst du im Strom des Lebens,
an dessen Ende sich ein schwindelerregendes Nichts auftut.
Ein Tal ungemesserner Tiefe.
Inmitten dieses Tals stehst du und rufst in die Weite:

Oh ich, oh Leben,
in diesem ständigen Taumel.
Aus der Leere in die Leere.
Es war stets nur die Materie, die ich zu ordnen vermochte.
Es war stets nur der Körper, der sich dem inneren Chaos entgegenstellte.
Als Held des Lebens ging ich über seine Wege, als huldvoller Meister der Materie ging ich überzeugt seine Strecken.
Erbärmlich nun, wie ich hier stehe, rufend und flehend.
Oh ich, oh Leben,
Nie ließ ich mich gehen, immer habe ich mich an das Regelwerk der Alten gehalten,
nur um auf ein kleines Stück Himmel hoffen zu können.
Jetzt stehe ich hier, am Fuße des Tales, dem Himmel entfernter als je zuvor.
Zu spät um noch zu hoffen, vergangenes bleibt vergangen, unwiederbringlich verloren.
Wann endlich kommt der Tod und erlößt meine Seele?
Stattdessen verhöhnt er mich noch!
Schickt mir seine grausamen Schwestern;
Die Krankheit und die Gebrechlichkeit.
Ein Narr wer diese begehrt, wer sich das wünscht:
einen langen Weg mit gebeugtem Rücken und gebrochenen Beinen.
Zerschunden und voller Zweifel, schleppt man sich weiter,
Durch Schmutz und Kälte.
Bis irgendwann alles nebensächlich und unwichtig ist, bis man nur noch erlößt werden will.
Oh ich, oh Leben, zum Teufel verdammt und verloren im sein.
Die Hölle ist nicht ein Ort, kein Heim verlorener Seelen, sie ist ein Zustand, der nistet in jedem Leben, als natürlicher Begleiter.
Nicht Feuer brennt heiß, das Leben versickert in Nebensächlichkeiten.
Zerinnt wie Sand zwischen den Fingern in völliger Leere.
Wohinn ich mich wende eine Wüste, ein Tal völliger Ödniss, verheert und leergefegt.
Verflucht sollst du sein „Weg“ der mich hergeführt hat.
Verflucht auch das Leben, das ich um der Vernunft willen so leichtfertig habe verstreichen lassen.
Verflucht auch was ich schuf mit meinen Händen, Schmutz und sinnlos, wie alle Materie.
In wenigen Jahren redet niemand mehr davon!
Nicht einer von miliarden Narren die mir auf meinem Weg nachfolgen werden.
Die ihre müden Körper über meine kalte Asche schleppen werden, auf dem Weg in totale Bedeutungslosigkeit.
Oh ihr, oh Menschen, seid verdammt in alle Zeiten!

Ich aber rufe in dein Tal hinein:
Alles Sein ist Schmerz! Im Schmerz beginnt es, im Schmerz zerrinnt es!
Misanthropobie ist das was bleibt für unzugängliche und solche die am Leben verzweifelt sind.
Nichts soll sie mehr treffen, alles soll an ihnen abprallen und so stehst du in deinem Tal und prahlst vor der Ewigkeit mit deiner Verzweiflung.
Am Ende steht jeder Alleine, niemand kann auf den letzten Metern folgen und keiner weiß was dahinter steht. Der Tod ist jedem Lebenden die letzte Offenbarung.
Immer hast du dich vor ihm gefürchtet, immer hast du verleugnet das du völlig schutzlos bist.
Nicht der Tod ist das Schreckgespenst, du selber bist es der sich selber verleugnete im Leben und so dem Wirken der Hölle immer ausgesetzt war.
Dein Weg hatte noch nie ein Ziel das jenseits eines Tales unergründlicher Tiefe lag!
Alles bleibt ein taumeln ohne Erhebung, alles hast du mit Illusionen rein gewaschen;
Mit Siegen und Leistungen schufst du einen Reflex deines Tuns der dir Zeitlosigkeit suggerieren sollte, der dich im handeln bestärken sollte.
Ein Meister willst du gewesen sein und doch sehe ich nur einen kleinen Menschen vor mir der nie Versuche unternahm über sich selbst hinauszuwachsen.
Was außer Schmutz hast du zu finden gehofft wenn du nur am Boden suchtest?
Aus Schlamm hast du dir einen Thron erbaut und wunderst dich,
wenn die Zeit ihn zu Sand zerfallen lässt.
Zeitlos willst du sein? Doch zeitlos wird man nicht durch geschaffenes, nicht durch werke von Menschenhand.
Zeitlos ist ebenfalls ein Zustand, der Wurzelt in deinem Herzen.
Der wächst über dich selbst hinaus, in alle Richtungen gleichzeitig.
Der Tod ist ein Zustand, ihn musst du suchen, zu Lebzeiten schon.
Alles von dir streifen was dir gesagt wird, alles verleugnen was dir befohlen wird.
Der Weg führt nach innen!
Der Tod ist ein Wandel, ein Übergang von einem Zustand zum anderen.
In der rohen Materie ist mehr Hölle verborgen als in tausend finsteren Offenbarungen, wer ihr zustrebt und ihre Wege geht kann nichts anderes finden als den Schmerz und die Leere!
Du bist ein Mensch und nichts menschliches erscheint dir fremd, dennoch gibt es nichts menschlicheres als die Fremde zu suchen und über sich selbst hinauszuwachsen!
Der Mensch ist etwas das überwunden sein will!
Für diese die sich überwunden haben und den inneren Weg gegangen sind, stellt sich die Frage des Todes nicht, sie sind eine Brücke von einem Abgrund zum anderen.
Das Leben verfluchst du für seine Täler, aber nie hast du danach gesucht was das Leben ausmacht:
Nie ist es zu spät um noch aufzubrechen, nie so tief um sich nicht über sich selbst erheben zu können.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen