Sonntag, 30. September 2012

Die Krone der Schöpfung

Oft hörte ich die Menschen sprechen, von ihrem Naturrecht, von der "Krone der Schöpfung" die sie aus ihrer Sicht darstellten.
Unter dieser Begründung nehmen sich die westlichen Kulturen das Recht die Erde zu plündern, die Tiere auszurotten und in parasitärer Manie gegen die Natur zu leben.

Nur wenige Begriffe sind so fehl gedeutet und so missbräuchlich verwendet worden wie dieser, eben auch weil er durch unsere Religionsgeschichte so populär geworden ist.

Nun was versteht der Mensch unserer Zeit von der Krone der Schöpfung?
Im Grunde doch einen Gottgewollten Herrschaftsanspruch über die Natur und die Erde.
Ein Gott, vorzugsweise der christliche, schuf die Menschen als sein Ebenbild, mit dem Auftrag die Erde Untertan zu machen.

Tatsächlich aber wird in der modernen Deutung großzügig ignoriert woher dieser Ausdruck kommt, aus der semitischen Mystik, die ihrerseits auf etlichen Geheimlehren fußt, welche vor allem dadurch gekennzeichnet sind, dass Begriffe und Dinge stets nur Deck und Hüllwort für tiefere Wahrheiten sind.
Wahrheiten also die synonym für ein ganzes Interpretationsmuster der spezifischen Lehre stehen.
Oft und gerne wird auch vergessen, dass die Bibel, die oft ursächlich für diesen Begriff genannt wird, nicht mehr ist als ein über Jahrtausende immer wieder verändertes und nach politischen und zeitgeistlichen Bedingungen angepasstes Buch.
Tatsächlich sind die ursprünglichen Quelltexte, zusammen mit den, in der Bibel nicht aufgeführten Apokryphen erheblich umfangreicher und ergeben im Kontext ein stark anderes Muster, als das zurzeit populäre und gängige.

Ein kleines Beispiel will ich versuchen dem Leser mit der mystischen Deutung der "Vertreibung aus dem Paradies" näher zu bringen, ein Ansatz übrigens der heute deckungsgleich ist mit der Interpretation vieler hermetisch und gnostisch orientierter Ordensgemeinschaften.

Nun die aktuelle christliche Deutung dürfte jedem ein Begriff sein, Eva wird aus der Rippe Adams erschaffen um ihm sein treues Weib zu sein.
Dann lässt Eva sich von Luzifer, in Gestalt einer Schlange, verführen und isst einen Apfel vom Baum der Erkenntnis, welchen zu kosten den Menschen verboten war.
Sie, Eva, verführt schließlich auch Adam dazu den Apfel zu kosten, Gott bekommt es mit und wirft beide aus dem Paradies.
Diese Ursünde kann die Menschheit fortan nie wieder abstreifen und lebt mit der Schuld der Tat Evas.
Eva muss als Strafe ihre Kinder unter Schmerzen gebären, Adam wird der Ackerbau auferlegt.

Da die gesamte Geschichte im Kern nicht christlich ist, sondern nur, wie so vieles Andere aus älteren Quellen adaptiert wurde, ist das oben Beschriebene also nicht die Geschichte an sich, sondern lediglich die populär – christliche Deutung wie wir sie hier in unserem Kulturumfeld kennen - diese Differenzierung ist wichtig.

Wie ist nun die Mystische Deutung?
Wichtiger als die Geschichte an sich ist zunächst ihre Symbolik.
Nach christlichem Verständnis handelt es sich bei Adam und Eva um Menschen.
Tatsächlich nimmt der Urmythos darauf keinerlei Bezug, er definiert Adam und Eva als "Stammeltern" der heutigen Menschheit, was nicht notwendigerweise bedeutet das sie bereits Menschen waren.

Die Paradiesgeschichte erzählt von einer Phase der noch jungen Erde,
in der es überhaupt noch kein tierisches, sondern lediglich pflanzliches Leben gab,
sie berichtet von einem Entwicklungsschritt in der Evolution.
Folglich ist der erste Mensch, Adam, im weitesten Sinne kein Mensch nach unserem Verständnis, sondern ein Baum.
Daraus ergibt sich folgerichtig, dass Eva ebenfalls ein Baum war. Wobei die Mystik Adam als den "Baum des Lebens" definiert, welcher den Geist repräsentiert, aus dem die gesamte Schöpfung entspringt.
In nicht wenigen esoterischen Texten der Frühzeit, wird Adam als der tituliert, welcher seine Äste in alle Dimensionen streckte und auf allen Welten wurzelte.

Eva ihrerseits ist der "Baum der Erkenntnis" selbst und repräsentiert das Fleisch oder weiter gefasst die Materie.
In so weit ist die Aussage "Eva wurde aus der Rippe Adams gemacht" auch verständlicher, da Eva ein "Ableger" Adams war, so wie Pflanzen sich also vermehren.
Tatsächlich kennen wir bekanntermaßen bei den Pflanzen ja männliche und weibliche oder sogar beidgeschlechtliche.

Ursächlich begründet der Adam und Eva – Mythos also die klassische Dualistische Weltsicht, wie sie für die heutigen semitischen, monotheistischen Religionen typisch ist.
Der Trennung zwischen Geist und Materie, wie wir sie z.b. auch in Platons Höhlengleichnis oder den Ausführungen des Neoplatonismus wiederfinden.

Warum nun der Apfel?
Abgesehen von möglichen Übersetzungsfehlern muss man betrachten was Äpfel mystisch darstellen, nimmt man die Frucht an sich und teilt sie vertikal, bildet das Kerngehäuse das Bild eines Pentagramms, das Zeichen für den Menschen selbst also, wie es sich auch in Michelangelos "Schema des Menschen" bzw. dem goldenen Schnitt wiederfindet, ein mystisches Ursymbol also.
Teilt man den Apfel horizontal stellt das Kerngehäuse eine Vagina dar, neben dem Phallus das klassische Symbol für Fortpflanzung und insbesondere für Lust.
Somit symbolisiert der Apfel die Themen; Leben, Sexualität, Fruchtbarkeit.


Das mystische Pentagramm, weist hier auch auf den nächsten Akteur im Drama der Menschwerdung hin, Lucifer, der Morgenstern.
Tatsächlich ist Lucifer nicht mit Satan identisch, eine Tatsache, die auch der modernen Kirche durchaus bekannt ist, die aber dennoch nicht, oder nicht mehr, die Studierstuben der Theologen verlässt.
Lucifer bedeutet übersetzt "Lichtbringer" oder "Bringer der Morgenröte" – assoziiert wird diese Gestalt mit seinem Schicksalsplanet, dem Morgenstern bzw. der Venus.

Der Satan hingegen wird dem Planet Saturn zugeordnet, von daher ja auch der Name Satan/Saturn und auch das ist der eigentliche Grund warum sich einige satanisch orientierte Orden als "Saturnische Gesellschaft" bezeichnen
.
Identisch ist Lucifer hingegen mit der aus anderen Kulturen bekannten Göttin Venus.
Lucifer ist die Schutzgottheit der Wissenschaft, weil er die Erkenntnis bringt, er steht für Weisheit, Schönheit. Das ist zum Beispiel einer der Gründe warum Lucifer bei den Freimaurern eine so große Rolle spielt. Nicht etwa der, dass sie, wie von populären Verschwörungstheoretikern immer behauptet wird, Teufelsanbeter wären.

Mit Weisheit wird auch die Schlange assoziiert und dies ist somit einer der Gründe warum Lucifer in dem Paradiesgleichnis als Schlange auftritt.


Auf einen anderen, ebenfalls relevanten Grund, werde ich im Folgenden eingehen.

Lucifer also, betritt in dem mythologischen Drama die Bühne, er "verführt" Eva von den Früchten des Baumes der Erkenntnis zu kosten.
Es ist diesbezüglich logisch, dass er sich zunächst an Eva und nicht etwa an Adam wendet, zum einen sind die Früchte der Erkenntnis ihre eigenen, zum anderen werden Frauen im Allgemeinen ebenfalls mit der Venus assoziiert. Dies kann man heutzutage noch daran erkennen, dass das Zeichen der Frau – der Kreis mit Kreuz nach unten – das mystische Symbol des Planeten Venus ist. Das Symbol des Mannes ist übrigens das Planetensymbol des Mars – wobei hier dann auch die Redewendung, dass Frauen von der Venus kämen und die Männer vom Mars Sinn macht.
Lucifer/Venus und Eva sind ergo vom selben Schicksalsstrang und hier wird somit deutlich das schon das Erscheinen einer weiblichen Partnerin Adams, oder des Prinzips "weiblich" überhaupt, notwendigerweise eine Fülle an Kausaleffekten nach sich ziehen musste, welche die Geschichte in ihre Bahn zwangen.

Lucifer war und ist, das muss man so sagen, eine ambivalente Gottheit.
Nach ursprünglicher Auffassung, führte eine Rebellion im Himmel zur Schöpfung der Materie.
Die Materie wird nun von Satan beherrscht, seine mythologische Bezeichnung ist "der Unterdrücker", seine Rebellion führte dazu, dass er Teile des hochfeinen oder anders gesagt "ätherischen Geistes" dazu zwang sich zu verdichten.
Die Physik sagt die Materie neigt dazu zu "klumpen".
Lucifer nun ist teilweise auch ein Verbündeter Satans, denn seine Schönheit legt sich als goldener Glanz über die Materie und verführt uns fortlaufend dazu in ihr eine Wahrheit und Schönheit zu erkennen, welche diese gar nicht hat.
Der Grund warum er das wiederum kann ist, dass Lucifer auch ein Mittler zwischen der mythologischen Goldenen Sonne und Satan ist.
Sein Glanz reflektiert also die Strahlen der selbstlosen Sonne, die mythologisch wiederum das genaue Gegenteil des Saturn ist. Sie wärmt und schützt das Universum und ist der Widersacher des Saturn, sie ist selbstlos und liebend.
Nach mythologischem Verständnis war es die Sonne die Saturn, nach seinem anfänglichen Sieg in der Rebellion, einen Teil seiner Macht nahm und so eine weitere Ausbreitung des Universums, einen weiteren Lauf der Geschichte ermöglichte.
Da knapp gesagt die Sonne nur selbstlos ist und Lucifer ihren Glanz auf der Materie reflektiert, wird der Mensch, der nur auf die Materie blickt, auch stets nur die Sonne sehen, obwohl er das Werk des Satans betrachtet.

Lucifer also überredet Eva von den Früchten zu kosten, die "Erkenntnis" ist damit eine Fortentwicklung in der Evolution des Planeten, die Entwicklung tierischen Lebens und somit eine Veränderung in der Fortpflanzungstechnik.
Nicht mehr die pflanzentypische, sondern die geschlechtliche, damit kommt die Lust ins Spiel.
Lust ist eine Eigenschaft, die mit der Frau an sich und Venus assoziiert wird. Lust und Geschlechtstrieb ist die Frucht, der Apfel.
Diesen gibt Eva auf Geheiß der Schlange Adam und schließt somit den Kreis.
Durch Kreuzung des weiblich "nehmenden Lust" – Prinzips mit dem männlich "gebenden" Prinzip kommt zum ersten Mal etwas völlig Neuartiges in das Leben der Erde, das "Begehren".
Interessanterweise ist unser moderner Kulturapfel übriges auch eine Kreuzung verschiedener Baumarten und insoweit eventuell auch ein Anhaltspunkt warum ausgerechnet der Apfelbaum diese mythologische Bedeutung erhielt.

Durch den Eintritt des Begehrens in den Schöpfungsprozess wird Fortpflanzung tierisch, aber auch gewalttätig.
Überhaupt wird die gesamte Evolution tierisch.
Auch das symbolisiert die Schlange; die Wirbelsäule!

Verdeutlicht wird dieser Entwicklungssprung auch auf zahlreichen Illustrationen, in denen die Schlange dargestellt wird, wie sie sich um den Baum der Erkenntnis windet. Die Schlange als reines Wirbeltier veranschaulicht dieses Prinzip wie kein anderes und letztlich war das erste Leben an Land ja das kriechende und sich windende.
Mythologisch beginnt mit diesem Schritt der kosmische Fahrplan hin zum Menschen, es beginnt alles mit der Lust.
Analog dazu lokalisierten die fernöstlichen Geisteslehren, wie z.b der Hinduismus aufsteigend an der Wirbelsäule die sogenannten "Chakra" – Energieschnittstellen. Berührungspunkte also, zwischen dem physischen und dem feinstofflichen Körper.
Die einsetzende Entwicklung des Menschen ist energetisch aufsteigender Natur, das heißt in der nun folgenden geschichtlichen Entwicklung des menschlichen Geschlechtes steigt die "Erkenntnis" bzw. die göttliche Selbsterkenntnis die Wirbelsäule entlang der Energiebahnen auf.
Die spirituelle Entwicklung der Menschheit wird als Ganzes beschrieben.
Bis irgendwann, eines Tages, das letzte der sieben Chakren wieder erreicht ist, das mystische "dritte Auge" lokalisiert in der sogenannten Zirbeldrüse.

Allerdings und das ist der springende Punkt, die "Erkenntnis", der Sprung zum tierischen Leben und der Etablierung des Begehrens entfernte den Menschen zugleich von seinem göttlichen Ursprung.
Die mystische Tradition ist überzeugt, dass Pflanzen, aber auch Tiere eine intuitive Art haben mit dem Universum und den feinstofflichen Ebenen zu kommunizieren, sie beherrschen das quasi aus dem Gefühl heraus.
Der Mensch beherrscht dies intuitiv nur zu Beginn seiner Existenz, im Kindesalter also und hier finden wir eine weitere Analogie; die mystische Tradition ist überzeugt, dass der Sündenfall (der als solcher ja gar keiner ist) und die Vertreibung aus dem Paradies sinnbildlich in jedem Menschenleben aufs Neue stattfindet – ja dass die gesamte Entwicklung des Kosmos in jedem Menschenleben symbolisch und praktisch neu durchlebt wird.
So ist jede Menschenseele ein Abbild von allem was war und allem was sein wird.
Weiter impliziert die esoterische Tradition die Überzeugung, dass jeder Mensch noch einen "Pflanzlichen Körper" aus seiner Zeit im Paradies hat, über dessen Erweckung er wieder in regen Austausch mit den feinstofflichen Ebenen treten kann.
Viele Kulte sind bis heute der Überzeugung diesem pflanzlichen Körper besser entsprechen zu können, indem sie nur pflanzliche Ernährung zu sich nehmen, so dass insoweit der Veganismus und Vegetarismus in seiner geschichtlichen Wurzel teilweise auch religiös begründet ist.

Die Entwicklung brachte den Menschen aber auch ein äußerst zweischneidiges Schwert, nämlich den menschlichen Verstand, die Logik und als direkte Kausalität die menschliche Neigung zu materialistischen Ansichten.
Damit verhält es sich sehr ambivalent, zum einen ist diese Entwicklung notwendig um die menschliche Zivilisation zu errichten, zum anderen aber trennt sie uns von unseren göttlichen Wurzeln.

Da wären wir nun also beim so sagenumwobenen Begriff der "Krone der Schöpfung" entscheidend ist, dass dieser Begriff keinen Herrschaftsanspruch beschreibt.
Was ist sachlich betrachtet eine Krone?
Sie ist hervorgehoben vom Rest des Körpers und sie ist ein Metallgefängnis
.
Der Mensch ist gesondert und isoliert vom Rest der Schöpfung, eingekellert in das Verlies seines Körpers, das ihn von seinem Ursprung im Feinstofflichen trennt.
Seine Gedanken, seine Logik und sein Verstand sind nützlich und hinderlich zugleich, sie separieren ihn vom intuitiven Verstehen.
Gleichzeitig aber hat er als vermutlich einziges Lebewesen die Möglichkeit, ja die Aufgabe seinen göttlichen Ursprung zu erkennen.
Somit beschreibt die Krone ein Ziel, das der aufsteigenden Entwicklung. Die Krone ist das siebte Chakra, das dritte Auge, ist sie erreicht, dann ist der Mensch zu sich selbst zurückgekehrt. Denn öffnet sich das dritte Auge wieder ist der Mensch in der Lage die Geisteswelt völlig unverfälscht und direkt zu sehen, so wie es früher bereits der Fall war, als die Welt noch jung war und der Mensch seinen Wurzeln in der Pflanzenwelt näher stand.
Dann wird die Menschliche Rasse wieder Eins sein mit der Natur und der Götterwelt aus der sie hervorging, ehe noch das kosmische Theater einst den letzten Vorhang fallen lässt und alles in den Zustand des Anfangs zurückkehrt.

Im Kern der Sache, ist es die Angst vor dem Lauf der Dinge, vor der Vergänglichkeit, gebettet in die angenommene Linearität der Zeit, die den Menschen in sein Schicksal leitet, die sein Bewusstsein in einen ungewissen Raum stürzten lässt.
Das Schicksal "menschlich" zu sein, trennt uns von der Natur.

Der Wunsch "Bleibendes" zu hinterlassen, in den Fluss der Vergänglichkeit ein Denkmal für kommende Generationen zu setzen.
Das er nicht vergessen werde und sein Leben nicht umsonst gewesen sei – dieser Wunsch ist im Prinzip ein "majestätischer Gedanke" ein "absolutes Ziel".
Der Mensch versucht die Zeit anzuhalten und durch sein Tun die Dinge zu zwingen zeitlich zu werden und doch sind es nicht mehr als die Versuche eines Kindes seine Sandburg zu festigen, ehe die Flut kommt.
Die „Krone der Schöpfung“ zu sein rechtfertigt angstbestimmtes Handeln aber nicht, es ist nicht mehr als eben das; ein Handeln aus Unverständnis.

2 Kommentare:

  1. ".. und nun, so sprach der Morgenstern, des Tanzes werd gewahr".. (Zitat aus Die Reise des Narren).
    In manchen Dingen stehen wir uns gedanklich sehr nahe, in anderen allerdings weit entfernt. Vor allem was Eva betrifft, sehe ich es etwas anders. Die Essenz jedoch, bleibt annähernd die gleiche. Sehr interessant, finde ich.

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  2. Hallo Susanne, danke für den Komment. Nun ja, Sinn und Zweck diese Blogs ist es ja vor allem zu veranschaulichen wie die Denkweise der HermetischenMystiker ist und das die meisten Dinge eben eher synonym gemeint sind. Wenier wie ich persönlich es sehe auch wenn ich sicher sagen kann, das ich der Hermetic und der Gnosis sehr nahe stehe.

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